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Der im 16. Jahrhundert zunehmende Bedarf, insbesondere der katholischen Kirche, nach repräsentativen Altären aus Marmor wurde im Wesentlichen mit Marmor aus Italien gedeckt. Die Beschaffung war allerdings zeit- und kostenaufwändig und so wurde nach heimischen Materialien gesucht. Der Abbau des Lahnkalksteins als Marmor wird erstmals 1594 erwähnt. In diese Zeit fällt auch der Bau der Schlosskapelle der Burg Schnellenberg bei Attendorn. Hier entstand ein schöner Altar unter der Verwendung von Schupbach-Schwarz. Aus dem Jahr 1602 stammen die Reste des Grabaltars für Kurfürst Johann von Schönenburg, der durch den Trierer Steinmetzmeister Hans Ruprecht Hoffmann den Älteren mit rötlichen Säulen aus Lahnmarmor im Trier Dom errichtet wurde. Wohl 1603 wurde der interessante Perspektivaltar in der Idsteiner Unionskirche aus grauem „Mudershausener Marmor“ erschaffen. Eine ältere datierte Arbeit findet sich in der Schupbacher Kirche, es ist ein Grabstein mit der Jahreszahl 1604. Der 30jährige Krieg führte zu einem Einschnitt. Viele Denkmäler aus dem gerade populär gewordenen Lahnmarmor dürften während der Kriegshandlungen beschädigt oder zerstört worden sein.

Nach dem Westfälischen Frieden widmete sich Europa dem Wiederaufbau seiner zerstörten Städte, Kirchen, Burgen und Schlösser. Der ein gutes halbes Jahrhundert zuvor entdeckte Lahnmarmor erfreute sich hierbei großer Beliebtheit, insbesondere bei den Kirchenfürsten und den weltlichen Herrschern an Rhein, Lahn, Mosel und Main. Seine Struktur und sein Farbspiel passten wunderbar zu den Schönheitsidealen des beginnenden Barockzeitalters. In der Lahnregion zwischen Oberbiel und Allendorf wurden durch Steinbrecher viele Marmorbrüche erschlossen und es entstanden zahlreiche Steinmetzbetriebe und Werkstätten.

Die Liste der noch bekannten Steinmetze und Marmorier und ihrer Werke ist recht lang. Hier sind beispielsweise die Gebrüder Weidemann zu erwähnen, die in Schupbach bis Anfang des 18. Jahrhunderts tätig waren. So stammt von Johann Theobald Weidemann (1651-1690) der Kreuzaltar im Dom zu Trier. Von Jakob Weidemann (1648 – 1719) wurde der Hochaltar im Dom zu Fulda erstellt. Stephan Strahl (1685-1757/8) und sein Sohn Johann (1721-1808) dominierten das Lahnmarmorgeschäft in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts von Balduinstein aus. Der größte Auftrag von Stephan Strahl war die Ausstattung der Jesuitenkirche in Mannheim mit einem Hochaltar und sechs Seitenaltären. Der Aufschwung der Villmarer Steinmetzwirtschaft begann mit Simon Leonhard, der eine Steinmetzfamilie gründete. Ee lieferte die Säulen für den Hochaltar der Mainzer Pfarrkirche St. Ignaz, der 1784 fertiggestellt wurde. 

Steinmetze und Bildhauer lebten aber nicht nur in der Abbauregion an der Lahn, sondern auch vor Ort, dort wo ihre Auftraggeber ansässig waren. In diesem Zusammenhang ist die Steinmetz- und Bildhauerfamilie Neuß aus Köln zu erwähnen, die zwischen 1632 und 1685 in Köln nachgewiesen werden kann.

Zur Verbreitung und Wertschätzung trugen auch die Baumeister der Fürsten bei. Beispielsweise ist Julius Ludwig Rothweil (1676 – 1750) zu nennen. Rothweil setzte die ehrgeizigen Pläne von Johann Ernst Graf zu Nassau- Weilburg zum Ausbau seiner Residenzstadt um. Wer heute das Weilburger Schloss besucht, findet selbstverständlich nahezu auf Schritt und Tritt Arbeiten aus Lahnmarmor.

Infolge der französischen Revolution und der sich anschließenden Besetzung großer Teile Europas durch französische Truppen brach für die Lahnmarmorwirtschaft ein großer Absatzmarkt weg. Es entstand aber auch das vereinigte Herzogtum Nassau durch Beitritt der Linien Nassau-Usingen und Nassau-Weilburg zum Rheinbund. Wilhelm I, Herzog von Nassau (1816-1839), wollte die Außengrenzen seines noch jungen Herzogtums standesgemäß kennzeichnen und wünschte sich Grenzsäulen aus Lahnmarmor. Diese wurden allerdings nicht in normalen Steinmetzbetrieben gefertigt, sondern im Diezer Zuchthaus. Es entstanden 10 dieser Säulen, die an markanten Chausseen errichtet wurden.

Aber auch kleinere Steinmetzbetriebe waren noch im Markt vertreten. So z.B. der Steinmetzbetrieb Leonhard in Villmar, den Simon II. Leonhard, bevor er die Stelle im Zuchthaus Diez annahm, an seinen Sohn Engelbert (1791 – 1854) übertrug. Engelbert war ein hervorragender Marmorierer, doch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, u.a. der Wettbewerb mit dem Diezer Zuchthaus, setzen ihm sehr zu. Zwar fanden Engelberts Arbeiten allgemein Anerkennung. So führte er die Marmorarbeiten am neuen herzoglichen Jagdschloss Platte aus. Doch endete die Tätigkeit Engelberts in Villmar 1825 in einem wirtschaftlichen Fiasko. Eine der letzten Arbeiten des Steinmetzmeisters Engelbert Leonhard, bei der er sein Können noch einmal unter Beweis stellen konnte, war die Mitwirkung bei der Marmorausstattung der „Russischen Kirche“ auf dem Wiesbadener Neroberg. Allerdings leitete diese Maßnahme sein Bruder Johann-Peter Leonhard (1793-1873). Bekannt sind seine Marmorarbeiten an mehreren Schleusen im Lahntal und am Schiffstunnel in Weilburg (1848) sowie Arbeiten für die Schlösser Dehrn, Neuwied, Koblenz, Biebrich, Karlsruhe und Hohenzollern-Hechingen. Höhepunkt seiner Tätigkeit war wohl die Marmorausstattung in Inneren der „Russischen Kirche“ auf dem Neroberg.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann in der Lahnmarmorwirtschaft die Gründung von größeren Betrieben. So entstand 1879 in Wetzlar die Firma „Dyckerhoff & Neumann“. Über 300 Marmorarbeiten in Kirchen, Schlössern, herrschaftlichen Wohn- und Landhäusern, Hotels, Bädern, Geschäfts- und Warenhäusern, Bahnhöfen und Kreuzfahrtschiffen sowie mehrere Gedenksteine und Grabmäler wurden nicht nur in Lahnmarmor ausgeführt. Von 1894 bis 1905 wurden der Berliner Dom nach Plänen von Julius Raschdorff in Anlehnung an die italienische Hochrenaissance und den Barock errichtet. Hierbei wurde auch Lahnmarmor verwendet.

Nach 1935 kamen Großaufträge der neuen Machthaber in Deutschland. Dyckerhoff & Neumann lieferte und bearbeitete Lahnmarmor u.a. für die neue Reichskanzlei, das Reichsluftfahrtministerium und die Stadien von Berlin und Nürnberg. Nach dem zweiten Weltkrieg beseitigte Dyckerhoff & Neumann auch Kriegsschäden. So wurden der Fußboden und der Altarraum des Würzburger Doms nach den Plänen des Schweizer Architekten Albert Schilling in den 1960er Jahren mit Lahnmarmor der Varietät „Famosa S“ neugestaltet. Damit schloss man an die Ausstattung des 18. Jahrhunderts an. Der am Ende des II. Weltkrieges zerstörte Hochaltar hatte Säulen aus schwarzem Schupbacher Marmor.

Aber auch andere Betriebe nahmen an Bedeutung zu, insbesondere im internationalen Geschäft. So lieferte die „G. Joerissen G.m.b.H.“ aus ihrem von der Gemeinde Gaudernbach angepachteten Marmorbruch um 1913 die Varietät „Estrellante“ nach Zürich zum Bau des Hauptgebäudes der Universität.  1929/30 lieferte die „G. Joerissen G.m.b.H.“ Lahnmarmor der Varietäten „Estrellante“ und „Famosa Rose“ zur Ausstattung des Empire State Buildings nach New York an die „Tompkins-Kiel Marble Company“.

Ein weiterer Betrieb war die „Engelbert Müller KG“. Dieses Unternehmen profitierte insbesondere von der regen kirchlichen Bautätigkeit nach dem zweiten Weltkrieg. Neben Neubaumaßnahmen wurden viele Restaurierungen durchgeführt. Zu erwähnen ist hier die Neuausstattung der St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin von 1952 bis 1963, die Neugestaltung vieler romanischer Kirchen in Köln in den 1970er und 1980er Jahren sowie die Restaurierung und Rekonstruktion der Jesuitenkirche in Mannheim Mitte der 1990er Jahre.